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Psychoonkologie: Ein Thema für alle Psychotherapeut:innen?

In der Psychotherapie gibt es viele spezielle Teilgebiete. Eines ist die Psychoonkologie, welche durch die Verankerung im Nationalen Krebsplan zumindest in zertifizierten Kliniken vorgehalten werden muss. In unserem Experteninterview gehen wir mit Prof. Dr. Tanja Zimmermann, selbst Psychoonkologin, Vorstandsbeauftragte der PKN für Palliativversorgung sowie Professorin an der Medizinischen Hochschule für Psychosomatik und Psychotherapie, unter anderem auf folgende Fragen ein: Womit befasst sich der Bereich? Welche Herausforderungen gibt es? Welche Rolle spielt das soziale Umfeld? Und warum braucht es dringend mehr ambulante psychoonkologische Angebote?

Liebe Frau Prof. Dr. Zimmermann, was genau ist Psychoonkologie? Womit befasst sie sich?

Psychoonkologie ist eine Teildisziplin der Onkologie. Sie kümmert sich um die psychischen und sozialen Auswirkungen, die eine Krebserkrankung auf die betroffene Person, aber auch auf das soziale Umfeld haben kann. Es geht um alle Arten von Belastungen, die eine Krebserkrankung mit sich bringen kann, beispielsweise Ängste und Depressionen. Es geht aber darum, wie wir mit psychologischen Maßnahmen auf das Gesundheitsverhalten der Patient:innen Einfluss nehmen können, also zum Beispiel dass Medikamente eingenommen oder Therapien und Nachsorgetermine eingehalten werden. Und auch Prävention gehört dazu: Was kann man tun, damit Menschen regelmäßig zur Früherkennung gehen? Das liegt nicht im Bereich der klassischen, klinischen Versorgung, aber gehört mit zur Psychoonkologie.

Wieso haben Sie sich entschieden, als Psychoonkologin zu arbeiten?

Ich war lange in Braunschweig an der Universität und hatte die Möglichkeit in einem Forschungsprojekt zu promovieren, in dem es darum ging, eine Intervention bei Paaren mit einer krebserkrankten Person zu entwickeln. Ich komme ursprünglich aus der Paartherapie und fand diese Arbeit mit den Paaren faszinierend, vor allem, weil es mich überwältigt hat, mit welcher Kraft Menschen schwierige Situationen managen. Wie sie trotz widriger Umstände Ressourcen mobilisieren, ihren Lebensmut nicht verlieren, ihren Humor bewahren. Bei so einer Arbeit kann man sehr viel für sich selbst lernen, unter anderem den Moment zu genießen oder insgesamt achtsamer zu sein in unserem hektischen Alltag. Auf diese Weise bin ich in der Psychoonkologie hängen geblieben.

Warum ist ein eigener Bereich nur für onkologische Fälle so wichtig?

Es gibt viele körperliche Erkrankungen, bei denen die Psyche eine wichtige Rolle spielt, zum Beispiel die Psychodiabetologie, die Psychokardiologie, die Psychorheumatologie. In all diesen Bereichen geht es darum, was die Erkrankung mit der Psyche macht und wie die Psyche helfen kann, besser mit der Erkrankung umzugehen. In der Psychoonkologie ist es im Vergleich zu den anderen Bereichen so, dass diese im Nationalen Krebsplan verankert wurde. Das ist eine politische Sache, aber ein ganz wichtiger Punkt, weil sie dadurch stärker ins Bewusstsein gerückt ist. In diesem Plan ist sie als Ziel formuliert, was zur Folge hat, dass in zertifizierten Zentren, also Brustkrebszentren, Darmkrebszentren oder auch hier bei uns an der Medizinischen Hochschule, Psychoonkologie vorgehalten werden MUSS. Bei einer Krebsdiagnose muss man sich klar machen, dass die erkrankte Person von jetzt auf gleich aus dem Leben gerissen wird. Patient:innen sagen mir immer: „Mir wird der Boden unter den Füßen weggerissen, plötzlich ist alles anders“. Denn Krebs ist auch immer mit Todesangst verknüpft. Zumindest der erste Gedanke ist immer: Ich sterbe. Damit einher gehen dann viele Belastungen, Ängste und Depressivität. An dieser Stelle haben wir als Psychoonkolog:innen oder Psychotherapeut:innen die Aufgabe zu unterstützen und es den Betroffenen leichter zu machen, die Krankheit zu bewältigen und mit den psychischen Belastungen besser umzugehen.

Brauchen Psychotherapeut:innen eine spezielle Qualifikation für die Psychoonkologie?

Das kommt darauf an, in welchem Bereich man sich bewegt. Im stationären Bereich an einer zertifizierten Klinik muss man bestimmte Bedingungen erfüllen: ein Grundstudium in Psychologie oder Medizin, eine entsprechende Psychotherapie-Weiterbildung und eine Fortbildung in Psychoonkologie. Das sind relativ hohen Kriterien. Der Begriff Psychoonkolog:in ist nicht geschützt und faktisch darf sich jede:r so nennen. Aber gerade im stationären Rahmen an zertifizierten Kliniken soll das nicht passieren. Im ambulanten Bereich herrscht leider Wildwuchs.

Können Sie das genauer erläutern?

Ich finde, dass wir mit unserer Approbation auf jeden Fall die Kompetenzen haben, um auch mit Krebserkrankten zu arbeiten. Viele Niedergelassene trauen sich dies nicht zu, was ich schade finde. Denn wir behandeln ja nicht den Krebs und sind nicht für den medizinischen Verlauf verantwortlich. Sondern wir behandeln die psychischen Belastungen oder Störungen, die daraus resultieren. Wir behandeln eine Depression, eine Angststörung, eine Anpassungsstörung. Das können wir! Von daher finde ich es im ambulanten Bereich nicht verwerflich, wenn ein:e niedergelassene:r Psychotherapeut:in sich als Psychoonkolog:in bezeichnet. Viele fühlen sich damit nicht so sicher und möchten vorher lieber eine psychoonkologische Fortbildung absolvieren, was auch völlig okay ist. Viel schwieriger ist es, wenn Personen, die gar keine Psychotherapeut:innen sind, sich Psychoonkolog:in  nennen und viel Geld für Leistungen ohne Effekt verlangen.

Sollte man denn bestimmte Eigenschaften als Psychoonkolog:in mitbringen?

Grundsätzlich haben wir als Psychotherapeut:innen alles, um auch Krebserkrankte zu behandeln. Weil wir wie gesagt die Psyche behandeln. Was man grundsätzlich haben sollte, ist Offenheit. Keine Angst vor körperlichen Veränderungen, wenn zum Beispiel im Rahmen der Chemotherapie die Haare ausfallen oder wenn körperliche Veränderungen nach außen hin sichtbar sind. Es ist nicht schlecht, wenn man ein gewisses medizinisches Wissen hat. Meistens sind die Patient:innen darüber aber sogar besser informiert. Wichtig ist auch, ab und zu ein bisschen flexibel zu sein. Aber das haben wir bei anderen Krankheiten auch, dass der/die Patient:in mal einen Termin absagt, wenn es ihm/ihr nicht gut geht oder dass ein Extra-Termin gebraucht wird. Krebserkrankungen sind recht häufig – jedes Jahr erkranken eine halbe Million Menschen neu an Krebs – von daher werde ich wahrscheinlich sowieso als Psychotherapeut:in damit konfrontiert werden.

Was ist die größte Herausforderung als Psychoonkolog:in?

Herausfordernd ist, dass wir immer wieder mit Situationen konfrontiert werden, die wir nicht ändern und bei denen wir keine Gewissheit geben können. Wenn ein:e Patient:in Angst hat, dass die Krankheit wiederkommt, kann ihm/ihr niemand sagen, dass das nicht passieren wird. Der Haarverlust ist zum Beispiel für viele – nachvollziehbarerweise – sehr belastend, aber auch daran können wir in dem Moment nichts konkret ändern. Man muss lernen, in der Behandlung spontan zu sein, sich auf die Belastung einzustellen, die gerade da ist, und auf die wir keinen Einfluss haben. Manchmal ist mehr das Medizinische im Fokus, weil es gerade akut ist, manchmal ist es das Psychische, z.B. die eigene Angst oder Sorge um die Angehörigen. Vielleicht wird man sich als Psychoonkolog:in auch seiner eigenen Endlichkeit mehr bewusst, vor allem in der Palliativarbeit, wo eine Heilung nicht mehr möglich ist. Daher ist es wichtig, dass die eigene Psychohygiene funktioniert.

Welche psychischen Krankheitsbilder kommen bei den Betroffenen am häufigsten vor?

Die S3-Leitlinie für Psychoonkologie wurde erst kürzlich aktualisiert und demnach entwickeln ungefähr 30% eine psychische Störung. Am häufigsten Angststörungen, Anpassungsstörungen und Depressionen. Auch Störungen durch psychotrope Substanzen kommen vor, damit ist Nikotinabhängigkeit gemeint. Und ungefähr die Hälfte bis zwei Drittel erleben sogenannten psychischen Distress. Diese psychische Belastung erfüllt aber nicht die Kriterien einer ICD10-Diagnose.

Mit welchen therapeutischen Methoden behandelt man Betroffene am häufigsten?

Es kommt darauf an, in welcher Phase der/die Betroffene ist. In der medizinischen Akutphase ist es ganz oft Krisenintervention, aber auch Ressourcenaktivierung. Sprich: Was kann ich als Gegengewicht zu den ganzen Belastungen herstellen? Was tut mir gut? Wo kann ich auftanken? Wie kann ich trotz der Belastung etwas Schönes erleben? Das ist ein Unterschied zur „normalen“ Psychotherapie, dass ziemlich früh ressourcenstärkend gearbeitet wird. Im weiteren Verlauf der Erkrankung wird eine psychische Störung, die sich eventuell entwickelt hat, wie sonst auch mit dem eigenen Verfahren behandelt – sei es Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie, Psychoanalyse oder Systemische Therapie.

Haben Krebspatient*innen denn grundsätzlich Anspruch auf eine psychotherapeutische Versorgung? Was sind Anlaufstellen?

Es ist abhängig vom Setting: Im stationären Bereich, in zertifizierten Kliniken, haben die Patient:innen Anspruch auf Psychoonkologie. Ein psychoonkologisches Gespräch sollte dort unaufgefordert angeboten werden. Das große Problem liegt im ambulanten Bereich. Vor einigen Jahren haben Kolleg:innen aus Hamburg eine Bestandsaufnahme in ganz Deutschland gemacht und es ist erschreckend, wie unterversorgt der Bereich ist. Ambulante Anlaufstellen sind dennoch jede:r niedergelassene:r Psychotherapeut:in, ärztlich und psychologisch, der oder die sich das zutraut. Für Niedersachsen haben wir aus der Not heraus eine Website entwickelt (www.psychoonkologie-niedersachsen.de), weil wir stationär Patient:innen haben, die eine ambulante Anschlussbehandlung machen möchten. Auf dieser Seite sind Psychotherapeut:innen aus Niedersachsen aufgelistet, die auch Krebserkrankte behandeln. Weitere gute Anlaufstellen sind Krebsberatungsstellen, um auch niedrigschwellig und kurzfristig Unterstützung zu erhalten. Selbsthilfegruppen sind eine Möglichkeit, um in den Austausch mit anderen Betroffenen zu kommen oder solchen, die ähnliches erleben.

Zu Beginn haben Sie das soziale Umfeld erwähnt. Wie gelingt es, Angehörige in die Behandlung einzubeziehen?

Die Angehörigen sind total wichtig! Teilweise sind sie genauso psychisch belastet wie die Erkrankten. Das aufzufangen ist ganz herausfordernd und findet häufig keinen Raum, weil der Fokus, auch im medizinischen System, auf der erkrankten Person liegt. Das liegt zum einen daran, dass es kaum Angebote gibt für Angehörige. Zum anderen denken Angehörige häufig: Ich bin jetzt nicht dran. In einer Partnerschaft kommt es schnell zu einer Asymmetrie. Einer kümmert sich um alles, der andere ist in der Krankenrolle. Für eine gewisse Zeit ist das nicht schlimm, auf Dauer ist es aber für die Partnerschaft belastend. Auch die Veränderungen in der Sexualität können hier eine große Rolle spielen. In Beziehungen ist es oft schwierig, über bestimmte Themen wie Angst und die Sorgen zu sprechen. Gerade am Lebensende ist das etwas, wo Paare Schwierigkeiten haben, sich auszutauschen. Und andere Angehörigen, die mir sehr am Herzen liegen, werden noch öfter vernachlässigt – nämlich die minderjährigen Kinder.

Wie schafft man es, Kindern eine solche Situation zu vermitteln?

Das Allerwichtigste ist, dass das Kind über die Diagnose informiert wird. Eltern tun dies oft nicht oder sind unsicher, weil sie ihr Kind schützen wollen. Das ist ein Trugschluss, denn Kinder kriegen mit, dass etwas nicht stimmt. Wenn Mama oder Papa öfter weg sind oder die Eltern öfter weinen, ist das eine andere Atmosphäre. Deshalb ist das immer der erste Rat: Bitte informieren Sie Ihr Kind über die Erkrankung und was das für das Kind und die Familie bzw. den Alltag bedeutet. Sagen Sie Ihrem Kind, dass es keine Schuld daran hat, dass Mama oder Papa krank ist, oder dass das Kind nichts tun kann, um Mama oder Papa wieder gesund zu machen. Denn Kinder haben oft diese egozentrische Sicht, dass sie schuld sind. Wenn in der Familie offen mit der Erkrankung umgegangen wird, dann kann das Kind auch Fragen stellen. Es hat die Möglichkeit, seine Gedanken mit der Familie zu besprechen. Geheimnisse und Ausreden sind nur zusätzlich anstrengend für die Eltern. Wenn ein Kind nicht informiert wurde, stellt sich im Nachhinein außerdem immer wieder heraus, dass das keine gute Idee war. Wenn diese Personen im Erwachsenenalter befragt werden, hätten es alle gerne gewusst. Denn Information senkt Angst und gibt ein Stückchen Kontrolle. Wenn Kinder nicht wissen, was nicht stimmt, ist das für sie oft schwer auszuhalten. Kinder werden aus meiner Sicht auch zu oft unterschätzt. Es gibt Studien, die zeigen, dass Kinder von krebskranken Eltern nicht häufiger psychisch erkranken als Kinder ohne krebskranke Eltern. Und ich glaube es stärkt auch deren Selbstbewusstsein, wenn sie wussten was los war, aber trotzdem Kind sein konnten. Kinder, die jedoch parentifiziert werden, ist die andere Sache. Wenn sie plötzlich Aufgaben übernehmen, die nicht mehr kindgerecht sind, den Haushalt schmeißen oder die jüngeren Geschwister versorgen, kann das langfristig eine Überforderung des Kindes sein.

Wie geht man mit einer betroffenen Person um, wenn diese sich bereits im palliativen Stadium befindet? Wie begleitet man diesen Menschen auf dem Weg, sich bei Angehörigen zu verabschieden? Das stelle ich mir schwierig vor.

Das ist es auch. Wichtig ist, hier zu differenzieren: Palliativ bedeutet nicht gleich Tod. Ein:e Patient:in ist auch dann palliativ, wenn er oder sie unheilbar krank ist, aber noch zehn Jahre leben kann. Das muss den Patient:innen mitgeteilt werden. Psychotherapeutisch ist es wichtig, da zu sein und mit auszuhalten. Mit mir als Therapeut:in können Ängste und Sorgen besprochen werden, die mit Angehörigen vielleicht nicht besprochen werden können, weil man sich nicht traut. Wir müssen gleichzeitig respektieren, dass manche Menschen bis zu ihrem Tod nicht darüber sprechen möchten. Wenn sich diese Person mit anderen Dingen beschäftigen möchte, dann ist das so. Ich muss akzeptieren, wenn jemand bis zum Schluss nur über banale Themen reden möchte und psychotherapeutisch beurteilen, wo es mich braucht. Es gibt psychotherapeutisch einige Interventionen, die man am Lebensende machen kann, beispielsweise ein sogenanntes „End of Life-Review“. Dazu muss die Person aber bereit sein. Gerade in der palliativen Versorgung werden die Angehörigen oft vielmehr eingebunden, um zu klären, was der kranken Person wichtig ist. Die letzte Stufe hierbei ist, wenn die erkrankte Person aufgrund von Sedierung nicht mehr ansprechbar ist. Dann verschiebt sich der Fokus klar auf die Angehörigen: Wie können diese gestärkt werden oder schaffen es, mit dem Verlust umzugehen?

Und andersherum: Wie geht es weiter, wenn die Erkrankung überwunden werden kann?

Sie sprechen den Bereich „Cancer Survivorship“ an, also die Krebsüberlebenden. Das gab es lange Zeit gar nicht, weil niemand oder nur sehr wenige überlebt haben. Erst seit wenigen Jahren ist das überhaupt ein Begriff. Es gab vor einiger Zeit eine Ausschreibung von der Deutschen Krebshilfe, sogenannte Survivorship-Programme zu entwickeln und zu prüfen, wo die Patient:innen landen. Denn normalerweise landen die Patient:innen nach Abschluss der Behandlung wieder beim Hausarzt. Eine psychoonkologische Nachsorge ist kein Standard.

Sollte es Standard sein?

Ich erlebe häufig von Patient:innen, dass sie nach der Erkrankung in einem luftleeren Raum sind und keine Anlaufstelle haben. Aber es gibt auch viele Betroffene, die das gut überstehen. Eine meiner Patientinnen, die an Brustkrebs erkrankt war, hatte nach zehn Jahren ein Rezidiv. Sie meinte damals: Wenn sie jetzt nochmal zehn Jahre hat, dann sei sie zufrieden. Viele finden zu einem für sie gut funktionierenden Leben zurück und eine psychoonkologische Nachsorge ist nicht mehr nötig. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr nimmt auch die Belastung ab. Natürlich gibt es aber auch diejenigen, bei denen es bleibt – wo wir wieder im Bereich der psychischen Störung sind, die behandelt werden sollte. Insbesondere die Angst, dass die Krankheit wiederkommt, die sog. Progredienzgangst und Fatigue sind die häufigsten psychischen Belastungen bei Krebsüberlebenden.

Sie selbst arbeiten an einigen Forschungsprojekten im Bereich der Psychoonkologie. Können Sie derzeitige Schwerpunkte einmal skizzieren?

Im Bereich Cancer-Survivorship läuft derzeit einiges, vor allem im Bereich der Optimierung von Langzeitbetreuung, bei der es um Körper und Psyche geht. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Frage, wie wir Menschen mit Migrationshintergrund besser einbinden und versorgen können. Das ist oft ein großes Problem aufgrund sprachlicher Hürden oder kultureller Unterschiede. Hier ist es wichtig weiterzuforschen. Ich selbst komme wie eingangs erwähnt aus der Paartherapie, deswegen sind mir die Angehörigen immer sehr wichtig. Im Moment arbeiten wir an einer Studie, bei der wir ein Elterntraining anbieten. Denn es hat sich herausgestellt, dass bei einer Krebserkrankung die Erziehungskompetenz einbricht und Eltern viel nachsichtiger in der Erziehung werden, was langfristig nicht so günstig für Kinder ist. Im Bereich der bedarfsgerechten Versorgung gibt es von der Krebshilfe zwei Projekte. In einem geht es darum, wie besser auf psychische Belastung gescreent werden kann. Gerade im stationären Bereich ist die Psychoonkologie häufig recht klein, das heißt wir können nicht jede:n Patient:in sehen. In dem Fall bedient man sich eines Fragebogens zur psychischen Belastung. Das ist in der Umsetzung etwas herausfordernd. Wir gehen der Frage nach, wie man das optimieren kann und auch andere Berufsgruppen, wie die Pflege, besser einbeziehen kann. In dem anderen Projekt betrachten wir psychische Belastungen im Längsschnitt. Es zeigt sich, dass die Belastung bei bestimmten Gruppen, vor allem mit einem niedrigen sozio-ökonomischen Status, eher noch steigt. Diese Dinge müssen genauer differenziert werden, wer eher gefährdet ist für psychische Belastungen oder Störungen und wie Versorgung bedarfsgerechter angeboten und Ressourcen, die wir haben, sinnvoll eingesetzt werden können.

Was möchten Sie in Ihrer Funktion als Vorstandsbeauftragte der PKN für Palliativversorgung gerne noch mitteilen, vielleicht auch Ihren Berufskolleg:innen?

Mir ist es wichtig, den Bereich Psychoonkologie mehr ins Bewusstsein zu bringen und an meine Berufskolleg:innen zu appellieren, sich im ambulanten Bereich damit zu beschäftigen. Trauen Sie sich! Palliative Versorgung löst oft Ängste aus, aber es ist oft eine wunderbare und auch dankbare Arbeit. Als Psychotherapeut:innen haben wir die Kompetenzen, wir haben die Expertise, um Unterstützung anzubieten. Insgesamt ist es mir ein wichtiges Anliegen, im Bereich Onkologie und Palliativ Aufklärung zu betreiben und immer wieder auf das Thema hinzuweisen, damit es nicht unter den Tisch fällt: wir können das!

Vielen Dank für das Gespräch!

Am 4. Februar 2025 findet der 25. Weltkrebstag der Internationalen Vereinigung gegen Krebs (UICC) statt. Unter dem Motto der kommenden drei Jahre „Gemeinsam einzigartig“ oder international „United by Unique“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Krebspatienten durch ihre medizinische Diagnose miteinander verbunden sind und doch jede:r Patient:in eine eigene Geschichte, eigene Erfahrungen und eigene Bedürfnisse hat – auch viele Jahre nach einer Krebserkrankung. Weitere Informationen unter https://www.worldcancerday.org/.