PKN teilt Sorge um „Mental Health Pandemie“
Hannover, 14.06.2023 Die Ergebnisse des DAK-Kinder- und Jugendreports 2023 zeigen eine besorgniserregende Entwicklung. Die Zahl der jugendlichen Mädchen, die im vergangenen Jahr wegen einer psychischen Erkrankung stationär behandelt werden mussten, ist im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 deutlich angestiegen: bei Angststörungen um ein Drittel, bei Essstörungen um über die Hälfte und bei Depressionen um gut ein Viertel.
„Die zunehmende Zahl stationär behandlungsbedürftiger psychischer Erkrankungen bei Teenagerinnen ist alarmierend“, so Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).
Mediziner*innen zeigen sich angesichts der aktuellen Analysen beunruhigt. „Wir befinden uns mitten in einer Mental-Health-Pandemie, deren Auswirkungen erst nach und nach sichtbar werden“, urteilt Prof. Dr. med. Christoph U. Correll, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Berliner Charité, in einer ersten Bewertung der DAK-Sonderanalyse.
Die Pandemie hat offenbar nachhaltig negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit junger Menschen. Der Report zeigt ebenfalls auf, dass der gestiegene Bedarf an stationärer Behandlung zusammenfällt mit einer durch die Corona-Pandemie verringerten Behandlungskapazität im stationären Sektor.
Die Zunahme stationärer Behandlungen bei jugendlichen Mädchen ist jedoch nur die Spitze des Eisberges. Das Problem der fehlenden Versorgung psychischer Erkrankungen in Deutschland ist viel tiefgreifender, denn während der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach ambulanter Versorgung in Praxen von Kinder -und Jugendlichenpsychotherapeut*innen um 60 Prozent gestiegen. Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Behandlung sind bei Kindern und Jugendlichen mitunter aber besonders lang.
„Mit dem Ende der Pandemie ist die Nachfrage in den Praxen für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie deutlich gestiegen. Es melden sich Eltern, deren Kinder teilweise bis zu zwei Jahre nicht mehr zu Schule gegangen sind, mit depressiver, sozial-phobischer Symptomatik und hohem Medienkonsum (5 bis 8 Stunden täglich). Zudem sind Essstörungen signifikant angestiegen“, so PKN-Vorstandsmitglied Götz Schwope, selbst niedergelassener Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. „Um die Welle nach Corona abzufangen, brauchen wir Präventionsangebote und wohnortnahe, frühzeitige ambulante Behandlungsangebote. Wenn hier nicht gehandelt wird, kommt es zu Chronifizierungen von psychischen Erkrankungen und einer Zunahme von Krankenhauseinweisungen“.
Die Psychotherapeutenkammer Niedersachsen schließt sich der Forderung der BPTK an: Der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition muss endlich umgesetzt und die psychotherapeutische Bedarfsplanung reformiert werden, indem die Verhältniszahlen um mindestens 20 Prozent abgesenkt werden. Damit würden rund 1.600 zusätzliche Psychotherapeutensitze in ländlichen und strukturschwachen Regionen entstehen. Für die Sicherstellung einer zeit- und wohnortnahen Versorgung von Kindern und Jugendlichen sollte zudem die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie in einer eigenen „Arztgruppe“ beplant werden.
Hier finden Sie den DAK-Kinder- und Jugendreport 2023: Sonderanalyse für die Jahre 2018–2022 – Stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen.