Beauftragte*r im Verhinderungsfall
§ 24 Abs. 5 der Berufsordnung verpflichtet niedergelassene Psychotherapeut*innen, „eine geschäftsfähige Person als sogenannte Beauftragte oder Beauftragten für den Verhinderungsfall zu verpflichten, sodass diese sich unter Beachtung des geltenden Rechts im Falle der Verhinderung des/der Psychotherapeut*in als Kontaktperson für Patientenanfragen zur Verfügung stellt.“
Im Laufe der Jahre gab es immer wieder Änderungen der gesetzlichen Vorgaben bezüglich Schweigepflicht und Datenschutz. So musste auch die frühere Regelung, dass die Kammer Mitteilung über den oder die Beauftragte erhält und für die Patient*innen vermittelnd tätig werden kann, aus rechtlichen Gründen entfallen. Das hat weitreichende Konsequenzen: Eine durch Krankheit, Unfall oder Tod eintretende Verhinderung von Psychotherapeut*innen kann für Patient*innen ein erhebliches Problem bedeuten. Während im ärztlichen Bereich Berufsausübungsgemeinschaften oder ständige Mitarbeiter ohne Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht über die Dauer der Verhinderung und eventuell alternative Hilfsangebote informieren können, fehlt eine solche „natürliche“ Verfahrensweise für Psychotherapeut*innen, die ihre Praxis als Einzelpraxis ohne Mitarbeiter ausüben. Wegen der Folgen für Patient*innen muss jede Psychotherapeut*in für diesen Risikofall Vorsorge treffen. Diese Vorsorge ist Teil der gewissenhaften Berufsausübung und Verantwortung für Patient*innen.
Die besondere Konstellation der psychotherapeutischen Arbeit in der Einzelpraxis lässt keine andere Möglichkeit zu, als die Verpflichtung eines Beauftragten. In Betracht kommt ein/e Kolleg*in, ein Familienmitglied oder eine sonstige vertrauenswürdige Person, die sich — möglichst schriftlich — gegenüber dem Psychotherapeuten bereit erklärt, im Bedarfsfall als Kontaktperson zur Verfügung zu stehen.
Es gehört gleichermaßen zu den zentralen Berufspflichten von Psychotherapeut*innen, in jeder Weise das Patientengeheimnis zu wahren. Patientengeheimnisse sind auch die Tatsache der Behandlung und die Personalia der Patient*innen, erst recht sonstige Inhalte der Patientendokumentation.
Neben der Verpflichtung des Beauftragten muss auch bedacht werden, welche Tätigkeit der oder die Beauftragte wahrnehmen soll und in welchem Umfang hierzu die Kenntnis von Patientengeheimnissen erforderlich ist. Jeder/jede kann an der Praxis einen Aushang anbringen, wonach der Psychotherapeut verhindert ist und seine Kontaktdaten für eventuelle Rückfragen in diesem Aushang bekanntgeben. Soweit es aber gewünscht ist, dass ein Beauftragter die Patient*innen, mit denen Sprechstunden vereinbart wurden, anruft und informiert, werden hierzu Patientendaten offenbart. Hierzu bedarf es unter dem Gesichtspunkt der ärztlichen Schweigepflicht einer rechtlichen Legitimation.
Die Psychotherapeutenkammer empfiehlt daher allen Psychotherapeut*innen die Einholung der ausdrücklichen, schriftlichen Einwilligung des Patienten/der Patientin in die entsprechende Information eines Beauftragten, der möglichst namentlich benannt wird, für den Verhinderungsfall. Eine solche Einwilligung führt im Rechtssinne zu einer befugten Datenweitergabe und schließt einen Verstoß gegen § 203 StGB sowie gegen datenschutzrechtliche Verpflichtungen aus.
Eine Einwilligungserklärung der Patient*innen sollte sinnvollerweise im Behandlungsvertrag erfolgen und den Patient*innen unter Bezugnahme auf § 24 Abs. 5 BO erläutert werden. Die entsprechende Passage kann wie folgt formuliert werden:
Dem/der Patient*in ist bekannt, dass der Psychotherapeut / die Psychotherapeutin in Einzelpraxis ohne weitere Mitarbeiter tätig ist. Damit in den Fällen, in denen der Psychotherapeut / die Psychotherapeutin plötzlich verhindert sein sollte, hat er einen Person (alternativ: … hat er Herrn/ Frau XY …) damit beauftragt, Patient*innen als Kontaktperson zur Verfügung zu stellen. Der Patient/ die Patientin willigt vorsorglich ausdrücklich darin ein, dass der Psychotherapeut/die Psychotherapeutin dem/der Beauftragten (alternativ: …Herrn/ Frau XY …) Zugang zu seinen Kontaktdaten verschafft, um den/die Patient*in über die Verhinderung, die Dauer der Verhinderung und eventuell anderweitige Hilfen zu informieren, wenn der/die Psychotherapeut*in selbst nicht handlungsfähig ist. Der/die Beauftragte wird nur Einsicht in die Kontaktdaten und keine Einsicht in die Behandlungsunterlagen nehmen, außer es liegt ihm/ihr die gesonderte Einwilligung des/der Pateinten*innen vor.
Die vertraglichen Vereinbarungen, die nach dem Muster der PKN auf der Basis der alten Fassung des § 24 Abs. 5 geschlossen wurden, bleiben gültig. Psychotherapeut*innen, die ihr Verfahren nach der alten Fassung des § 24 Abs. 5 BO eingerichtet haben, sollten überprüfen, ob er in seinen/ihren Behandlungsverhältnissen die entsprechende ausdrückliche Einwilligung der Patient*innen eingeholt hat oder künftig einholen will. Eine Meldung an die PKN ist nicht mehr notwendig.
Es ist ratsam, Beauftragte, die anders als Psychotherapeut*innen keiner gesetzlichen Schweigepflicht unterliegen, im Vertrag zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Eine Vereinbarung könnte wie folgt lauten:
(1) Der/die Beauftragte verpflichtet sich gegenüber dem Psychotherapeuten oder der Psychotherapeutin, im Falle von dessen/deren plötzlicher Verhinderung durch Krankheit, Bewusstlosigkeit oder Tod, Patient*innen im Sinne des § 24 Abs. 5 Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen als Kontaktperson zur Verfügung zu stehen.
Patientendaten wird er/sie in diesem Zusammenhang nur im notwendigen Umfang zur Kenntnis nehmen, d.h. die Namen und Kontaktdaten der aktuell in Behandlung befindlichen Patienten zum Zwecke der Kontaktaufnahme über das Medium, das zwischen Psychotherapeut*in und Patient*in vereinbart ist (postalisch, telefonisch etc.). Die Kenntnis wird ausschließlich zur Information der Patient*innen über die Verhinderung, die Dauer der Verhinderung und alternative Hilfemöglichkeiten verwandt. Eine Einsichtnahme in weitere Patientendaten erfordert die gesonderte ausdrückliche schriftliche Zustimmung der Patient*innen.
(2) Der/die Beauftragte verpflichtet sich gegenüber dem Psychotherapeuten / der Psychotherapeutin, über alle zum persönlichen Lebensbereich der Patient*in gehörende Geheimnisse, wozu auch die Tatsache der Behandlung und die Personalia des/der Patienten gehören, Stillschweigen zu bewahren. Ihm/ihr ist bewusst, dass die unbefugte Offenbarung von Kenntnissen, die er/sie bei Gelegenheit seiner Tätigkeit als Beauftragter erlangt, gemäß § 203 Abs. 4 StGB strafbar ist.
Da die Verpflichtung des Beauftragten zur Geheimhaltung nachweisbar sein sollte, sollte die Erklärung schriftlich in Vertragsform gefasst und von beiden Seiten unterzeichnet werden.
Weiterhin ist es möglich, mit dem Patienten oder der Patientin zu vereinbaren, dass ein/e approbierte/r ärztliche/r oder psychologische/r Psychotherapeut*in Einsicht in die Patientenakte nehmen kann, wenn die Behandlerin oder der Behandler dauerhaft verhindert sein sollte (und so Unterlagen herausgeben oder an Weiterbehandler weitergeben kann). Auch diese Vereinbarung sollte schriftlich festgehalten werden.