Rückblick: Tagung zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen
Ende Februar fand in der Evangelischen Akademie Loccum die Tagung „Psychische Kinder- und Jugendgesundheit ernst nehmen und stärken“ statt. Die PKN war mit Roman Rudyk,
Jörg Hermann und Götz Schwope stark vertreten – sie waren mit Vorträgen, Workshops und Podiumsdiskussionen sowie bereits im Vorbereitungskreis der Tagung aktiv.
Loccum hat sich als zentraler Ort des Austauschs etabliert, wenn es um psychische Gesundheit geht. Die Psychiatrietagung ist innerhalb des Landespsychiatrieplans entstanden; hier sollte trialogisch der Fragestellung nachgegangen werden, wie Psychiatrie sich entwickeln kann.
Zunehmende Überforderung der Schulen durch Schulangst und -abstinenz
Auch die diesjährige Tagung war wieder sehr spannend, das Feld der Akteure und Akteurinnen vielfältig: Schulen, Jugendhilfe sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Psychiaterinnen und Psychiater aus der Klinik und Praxis tauschten sich drei Tage lang darüber aus, wie Kindern und Jugendlichen nach den für sie besonders einschneidenden Corona-Jahren geholfen werden kann. Insbesondere die Schulen berichteten von zunehmender Überforderung durch Schulangst und -abstinenz, Personalnot sowie mangelnde Präventionsmöglichkeiten. Und auch die Jugendhilfe leidet unter Ressourcenmangel.
In seinem Vortrag „Wege in die ambulante Psychotherapie“ räumte Götz Schwope mit einigen Vorurteilen auf. Im Hinblick auf Anwürfe von Karl Lauterbach (MS BMG), dass Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nur die „leichten“ Patientinnen und Patienten behandeln würden, machte Schwope unmissverständlich klar, dass die Daten der Krankenkassen eindeutig das Gegenteil belegen, nämlich dass Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mittelschwer und schwer psychisch kranke Patientinnen und Patienten behandeln.
Mehr Prävention gefordert
Eine Auswertung der 2017 neu eingeführten psychotherapeutischen Sprechstunde ergab zudem, dass etwa 40 Prozent der Patientinnen und Patienten in andere Hilfsangebote gelotst wurden, weil keine Indikation auf Psychotherapie bestand. Hier haben die niedergelassenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten die von vielen Akteuren und Akteurinnen geforderte Lotsenfunktion verantwortlich übernommen. Dass zwei Drittel aller Psychotherapien nur noch zwischen zehn bis fünfzehn Stunden dauern, zeigt wiederum, dass etwa ein Drittel der Patientinnen und Patienten auch weiterhin Langzeittherapien benötigen. Er plädiert für mehr Prävention und dafür, dass sich das therapeutische Setting weiterentwickeln solle – beispielsweise auch in aufsuchende Hilfen statt ausschließlicher Behandlung in der Praxis. Jörg Hermann wiederum wies in seinem Vortrag sowie seinem Workshop darauf hin, dass auch die Erziehungsberatungsstellen eine wichtige Rolle in der ambulanten Versorgung spielen.Vor allem, da hier die Wartezeiten wesentlich kürzer seien als in ambulanten Praxen.
Vernetzung versus Verantwortung
Ein großes Thema der Tagung war „Vernetzung versus Verantwortung“. Roman Rudyk machte klar, dass es nicht die eine Lösung gebe. Vielmehr müsse das Netz für jeden Patienten und jede Patientin individuell geknüpft werden, die Verantwortung dürfe nicht hin- und hergeschoben werden, vielmehr sei Kooperation und Kommunikation unter den einzelnen Akteurinnen und Akteuren unerlässlich und müsse sehr gut funktionieren.
Mit den abschließenden Tagungsbeobachtungen und einem Ausblick auf die politischen Entwicklungen gelang es Roman Rudyk und Götz Schwope, die Tagung pointiert zusammenzufassen. Zudem saß Götz Schwope als KJP-Vertreter auf dem Podium bei der Diskussion mit Minister Andreas Philippi, als es darum ging, wie man die Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher konkret verbessern könne.
Der Austausch war intensiv und konstruktiv. Vonseiten der PKN fanden viele tiefgehende Gespräche insbesondere mit Chefärztinnen und Chefärzten der Kinder- und Jugendpsychiatrie statt. Hierbei galt es immer wieder, das Vorurteil zu entkräften, dass Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen ausschließlich die vermeintlich einfachen Fälle behandeln würden: ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Vernetzung und der Festschreibung der Kompetenzen von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bei der Versorgung psychisch kranker Menschen.