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Kostenlose Kopie der Patientenakte

Im Oktober 2023 fällte der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein weitreichendes Urteil zum Recht auf Einsicht in die Patientenakte.
Die erste Kopie ist Patient*innen anders als bisher nun kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Nach bisheriger Rechtslage konnten Psychotherapeut*innen nach § 630 g Absatz 2 Satz 2 BGB und § 11 Absatz 1 Satz 4 der Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen (PKN) unproblematisch eine Kostenerstattung fordern. Der EuGH entschied, dass die Datenschutzgrundverordnung einer solchen nationalen Regelung entgegensteht. Die Datenschutzgrundverordnung gewährt nach Art.15 Absatz 3 ein Recht auf eine kostenlose Kopie. Ein Entgelt kann nur verlangt werden, wenn der entsprechende Antrag auf Einsichtnahme nicht offensichtlich unbegründet oder exzessiv, also rechtsmissbräuchlich, ist. Dies kommt zum Beispiel bei arglistigem oder schikanösem Verhalten in Betracht, ist jedoch stark einzelfallabhängig.

In den meisten Fällen wird Patient*innen ein Anspruch auf eine kostenlose Kopie in Papierform zustehen.

Sollte eine Kostenerstattung nach den oben genannten Grundsätzen doch einmal Betracht kommen, ist diese in Anlehnung an das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu berechnen. Nach diesem sind 50 Cent pro Seite bei Ausdrucken bis zu 50 Seiten zu veranschlagen, ab der 50. Seite ist für jede weitere Seite nur noch ein Aufschlag von 15 Cent zulässig. Für elektronische Dokumente gilt eine Pauschale von 1,50 Euro pro Datei.

Das Urteil gibt aber auch Anlass sich weitere Aspekte des Akteneinsichtsrechts noch einmal ins Gedächtnis zu rufen.

Bei in elektronischer Form gestellten Anträgen ist zu beachten, dass die Informationen elektronisch zur Verfügung gestellt werden müssen, sofern der*die Patient*in nichts anders angibt, siehe Art.15 Absatz 3 DSGVO. Bei der elektronischen Übersendung der Patientenakte sollte bedacht werden, dass auch diese datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen muss, also verschlüsselt erfolgen sollte. Eine einfache E-Mail oder ein Fax dürfte nicht zulässig sein. Unsere Empfehlung lautet daher, einen Stick zu nutzen oder dem*der Patient*in eine Einsichtnahme vor Ort vorzuschlagen.

Bitte denken Sie ebenfalls an Folgendes: Auch Ihre persönlichen Eindrücke und Wahrnehmungen unterliegen gemäß § 11 Absatz 1 Satz 2 der Berufsordnung der PKN dem Akteneinsichtsrecht, wenn diese in der Akte schriftlich festgehalten sind.

Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass die Einsichtnahme nur aus erheblichen therapeutischen Gründen oder beim Entgegenstehen erheblicher Rechte Dritter verweigert werden kann. Dies ergibt sich aus § 630 g Absatz 1 BGB und § 11 Absatz 2 Satz 1 der Berufsordnung der PKN. Die Verweigerung unterliegt damit hohen Hürden und ist in einer intensiven Interessenabwägung von Ihnen zu prüfen. Als mildere Möglichkeit zu einer kompletten Verweigerung können Sie immer auch eine teilweise Schwärzung der Akte in Betracht ziehen.

Geht es um die Akteneinsicht von oder für Minderjährige greifen darüber hinaus natürlich weiterhin die Regelungen aus § 12 Absatz 6 der Berufsordnung. Soweit Minderjährige über die Einsichtsfähigkeit verfügen, bedarf eine Einsichtnahme durch Sorgeberechtigte in die sie betreffenden Patientenakten der Einwilligung der Minderjährigen. Eine Einsichtnahme in die Patientenakte durch Sorgeberechtigte bedarf der Zustimmung aller Sorgeberechtigter.